FÜRST, Paul, Theoria Artis Pictoriae, Das ist: Reiß-Buch/Bestehend in kunstrichtiger/leichter und der Naturgemässer Anweisung zur Mahlerey, 1656.
Les dessins des yeux, bouche, oreilles etc. sont repris du Reiss-Büchlein de Jacob van der Heyden, qui lui-même reprend les modèles de Crispin de Passe.
Dedication
An die Edelgesinnten Liebhaber und Liebhaberinne
- [Aiiv] Die Mahlerey redet,
- [Aiiir] Zuschrifft/ An die Edelgesinnten Liebhaber und Liebhaberinne der löblichen und lieblichen Zeichen-und Mahl-Kunst,
- Hier folgen im Original die auf der vorausgehenden Seite abgebildeten graphischen Anteilungn zu den Grundübungen.
FÜRST, Paul, Theoria Artis Pictoriae, Das ist: Reiß-Buch/Bestehend in kunstrichti-ger/leichter und der Naturgemässer Anweisung zur Mahlerey., dans PFISTERER, Ulrich (éd.), 2009 [En ligne : http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2009/787 consulté le 05/04/2016].
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QUOTATIONS
Zuschrifft/ An die Edelgesinnten Liebhaber und Liebhaberinne der löblichen und lieblichen Zeichen und Mahlkunst
Es müssen unholde Menschen seyn/welche ob dieser schönen und schätzbaren Kunst eckeln; unartige Sinne/die der angenehmen Gleichheit der Natur widersprechen; ja blind und verdüstert in ihrem Verstand/wann ihnen mißfället/was allen/die Augen haben/behagen muß. Fragen Sie nach dem Nutzen der Mahlerey/und wollen alle Zierlichkeit entfernet haben/so ist unlaugbar/daß die Baukunst/ohne diese Dienerin/nicht bestehen/die hinfallenden Gestalten aller Sachen nit erhalten werden/die Gedächtniß nicht füglicher gestärcket/und das Gemüth mit mancherley seltnen Erfindungen/nicht mehr ergötzet und erquicket werden kan/als vermittels der Außbildung wohlbesagter Mahler-Kunst.
Wir wollen dieses Orts nicht gedencken von der sinnreichen Erfindungen/noch von den Farben/Liecht und Schatten/noch von der schönen Ordnung/noch von der Bewegung des Gemüthes/welches alles der verständige Mahler/meisterlich zu Werck zu bringen/wissen soll: sondern allein handeln von der kunstständigen Stellung/dem Ebenmaß und den gehörigen Umbriß eines Bildes/welches gleichsam das a/b/c kan genennet werden/und wann man solcher Buchstaben versichert ist/muss man alsdann die Sylaben und Wörter zusammen sezen lernen; wie hier/wenn man die Augen/Nasen/Ohren/Mund zeichnen kan/ist alsdann leicht ein wolgebildtes Angesicht und nachgehends von den Armen/Händen und Füssen/einen gantzen Leib aufzureissen und zu entwerffen; massen solches alles die beliebte Ubung erfreulichst lehren wird.
Conceptual field(s)
Ob nun wohl nicht anzulaugnen/daß diese Meynung ganz richtig und unwidersprechlich seye; so muß man doch darbey gestaändig seyn/daß nicht eines jeden Gelegenheit ist/die Geometriam und artem Opticam ex fundamento zu studieren/daß viel treffliche Mahler/ohne solche/den Pinsel meisterlich geführet/in dem nemlich die vielfältige übung/das circkelmas so wol/als die Lehrgesetze zu Gesicht und in das scharffsichtige Urtheil bringen mag. Viel werden auch durch solche Weg abgeschreckt/daß sie die Gedult verlieren/und mit den langweiligen Linien nichts zu schaffen haben wollen.
Belangend nun die Ebenmaß oder Symmetriam des Menschlichen Cörpers/ ist nicht ohne Verwunderung zu betrachten daß […]
Belangend nun die Ebenmaß oder Symmetriam des Menschlichen Cörpers/ ist nicht ohne Verwunderung zu betrachten daß […]
Wie nun die richtige Ebenmaß der edelgemeldeten Mahlerey mit den Augen redet/und eine Sprache ist/welche jedermann verstehen will/der nicht blind ist; als ist so viel schwerer die allgemeine Beliebung zu erlangen/und ist auch selten ein Künstler zu finden/welcher in allen Stücken gleich glückselig gearbeitet/und so wol in Landschaften/ Bildern/ Thieren/ Contrafaien/ Gebäuen/ kleiner und grosser Arbeit eine endliche Vollkommenheit sollte erwiesen haben; dergestalt/ daß auch die Meister der Kunst/vielmals aus Ehrfurcht und Neid/sich so wenig/als die Unverständigen in solchen Sachen/eines einstimmigen Urtheils vergleichen können.
Wie nun die richtige Ebenmaß der edelgemeldeten Mahlerey mit den Augen redet/und eine Sprache ist/welche jedermann verstehen will/der nicht blind ist; als ist so viel schwerer die allgemeine Beliebung zu erlangen/und ist auch selten ein Künstler zu finden/welcher in allen Stücken gleich glückselig gearbeitet/und so wol in Landschaften/ Bildern/ Thieren/ Contrafaien/ Gebäuen/ kleiner und grosser Arbeit eine endliche Vollkommenheit sollte erwiesen haben; dergestalt/ daß auch die Meister der Kunst/vielmals aus Ehrfurcht und Neid/sich so wenig/als die Unverständigen in solchen Sachen/eines einstimmigen Urtheils vergleichen können.
Zeuxis hat der Helenä Bildnis mit so überholder Schönheit gemahlet / daß die lebendige Helena / von der verstorbnen und gemahlten gleichsam überwunden worden; also / daß fast gantz Griechenland zugeloffen / daß Kunststück mit Verwunderung anzusehen /und unter andernauch Nicostratus / welcher der Zeit nicht für dengeringsten Meister dieser Kunst gehalten wurde: dieser erstaunte ob dem ersten Anblick solches Bildes / daß er gleich einem Stein ohne Bewegnis darbey stehend verblieben / und von der Betrachtung solches Gemählsenzucket / von einemandern unbedachtsamen Gesellen geschüttelt und gleichsam von dem Schlafe erwecket werden wolte / mit befragen: was er an dem Gemähl so groß verwunderte? darauf Nicostratus geantwortet: Dieses ist kein Bild für die Nachteulen / und wann da deine ungeschickte Augen / mit den meinigen vertauschen köntest / so würdest du diese Frage eines Blinden / an mich nicht gelangen lassen. Also wäre zu wünschen / daß die Künstler allein von der Künste und nicht di Unverständigen wie die Blinden von der Farbe redeten.
Der Grund vielbesagter Zeichnung/als das besagte a/b/c der Mahlerey/ist verhoffendlich in diesem Buch meisterlich angewiesen/und ist leichtlich zu erachten/daß man mit den bunten Farben der Natur so viel ähnlicher nachkommen kan; weil man nur mit Schwartz und weiß die Gleichnisse der Bilder/so eigendlich vorstellen erlernet hat. Zu mehr deutlicher Erklärung unsrer Meinung setzen wie hierbey/wie alle Strichlein aufeinander folgen sollen.