VIVACITAS (n. f.)
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LEBEN (deu.)LEBEN
{Unachtsamkeit der Alten/ in erwehlung kleiner Mahl-Stüblein: wodurch sie ihnen selbst/ die Weitturft und das nötige Liecht/ entzogen.}
Es haben viel unserer Vorfahren/ auch meist die allerberühmteste Teutsche Kunst-Mahlere/ gefehlet/ indem sie/ all zu kleiner auch überall mit Liecht und Sonnenschein erfüllter Mahl Stüblein/ zu ihrer Arbeit sich bedienet: wordurch ihnen/ der Platz und die nötige Distanz, um von ihrem Modell oder Tafel weit genug ab und zuruck zu treten/ auch ihre Arbeit von weitem zu besichtigen und darüber zu urtheilen/ so wol auch des gerechten hohen einfälligen Liechts Stärke zum rundiren/ folgbar die natürliche Kräften aller Farben/ verkürzt und benommen worden: Und wurden sie/ wann sie in einem anständigen Mahlzimmer gewesen wären/ ihren trefflichen Werken viel mehr Leben/ Kraft und Warheit gegeben haben. {Des Mahlzimmers rechte Breite und Länge}/ So ist dann vonnöten/ daß ein schickliches Zimmer/ absonderlich zum Bild-Mahlen in Lebens-Größe/ auch zum Historien-Mahlen/ und dergleichen/ erwehlet werde. Dasselbe mus nun wol hoch und groß seyn/ und in der Länge zum wenigsten 30 Schuh/ und in der Breite fast eben soviel haben/ auch das Liecht/ welches recht mitten und zu oberst des Zimmers anfangen mus/ 5 oder 6 Schuh in der Vierung haben/ wiewol die Rundung besser anstünde. {auch groß und kleines Liecht} Gleich unterhalb dieses Liechts/ soll noch eines jenem gleichförmig seyn/ welches bedeckt kan werden: damit/ wann Historien zu praesentiren sind/ so in frey-offenem Feld im Sonnenschein bey vielem Liecht geschehen/ man zu dem obern auch etwas vom untern eröffnen könne. Dieses Liecht/ soll von Nord oder Septentrion, weil von dannen der Sonnen-Glanz am wenigsten bescheinet/ genommen werden. Ein gerechtes Zimmer zu unserer Kunst ist/ wann darinn alles/ was von Modellen hinein kommt/ auch die Gemälde selbst/ ein vollkommen-schönes Liecht haben/ und jedem Ding den Wolstand/ Schatten und Widerschein geben kan.
LEBENS-ART
{Mahlerey mit Oelfarben:} Nach diesem ist/ die Weise mit Oel zu mahlen/ ersonnen worden/ welche vorermeldte meist alle in Bann gethan/ wie überflüssig jeziger Zeit zu sehen ist.
{Deren erste Erfindere/ Jan und Hubert von Eych/ in Flandern;}Diese herrliche Kunst ist zweifelsfrey am ersten in Flandern/ von Jan und Hubert von Eych/ sonst von Brugg genannt/ erfunden worden. […]
{Das Oel/ macht die Farben rein lind und lebhafter.} Diese Manier/ die Farben mit Oel anzumachen und zu mängen/ erwecket und belebet die Farben viel mehr/ als vorige/ und wird zu solcher wenig anders/ als Lust und Liebe/ erfordert. Das Oel benimmet den Farben alle Schwäche und unreine Härtigkeit/ und macht sie/ durch seine Linde und Durchdringlichkeit/ gegen der Feuchtigkeit/ viel beständiger/ kräftiger und subtiler: also daß die Kunstmeistere allen Bildnisen gar leicht eine rechte Lebens-Art und Aenlichkeit mittheilen können; absonderlich/ wann sie vorher alles zierlich und mit gesundem Verstand gezeichnet haben.
Es wird aber damit also verfahren. {Process diser Mahlerey} Erstlich reiben sie die Farben auf einem glatten Stein/ mängen folgends diese Farben/ als weiß/ gelb/ rötlich und wenig schwarz/ unter einander/ doch also/ daß keine vorschläget oder man nimt Bolus oder Kessel-braun allein.
LEBHAFTIGKEIT
Solche Dinge/ die der Natur zum ähnlichsten/ können dem durch langen Fleiß abgematteten Künstler/ seine Mühwaltung/ mit Ehre und Gewinn wieder vergelten/ als wordurch Hand und Verstand zu einer sonderbaren gratia, Lebhaftigkeit und Leichte angewöhnet wird. Man glaube sicherlich/ daß diese practic, welche man durch viel Jahre mit sonderbarem Fleiß erworben/ sey das wahre Liecht zur Zeichnung/ und das Mittel eines Künstlers/ sich berühmt und ansehnlich zu machen
Das I. Capitel.Von Der Erfindung und Zeichnung, p. 61{Wie ein Modell soll gestellt und die Distanz beobachtet werden.}Wann nun das Leben oder Modell, es sey auf einer niedrigen oder hohen Tafel/ (nach Erforderung des Horizonts/ wie das Stuck/ wann es vollbracht/ soll aufgestellet werden/) also im bästen Liecht vor Augen stehet/ daß es solch Liecht und Schatten nach Verlangen hat: alsdann setze sich der Mahler/ etwan 8 oder mehr Schuh davon. hat er überall das gerechte Liecht/ und bleibet ihm noch Platz genug/ davon hintan zu gehen: welches dann hochnötig ist/ wann er sein Werk will von weitem besehen/ auch ein großes Werk hin und wider schieben/ erniedrigen und erhöhen. {Auch kleine Sachen/ erfordern Raum und gut Liecht.} Auch die jenige/ welche nur kleine Werke machen/ sonderlich wann sie das Leben wollen gebrauchen/ müßen/ wegen nötiger Distanz, und das Liecht von oben herab zu nehmen/ nicht in allzukleinen Zimmern ihre Arbeit verrichten/ sondern Raum und Liecht suchen: da dann alles einen mehrern Wolstand/ gewißere Maaß und mehr Lebhaftigkeit/ erzeigen wird.
Das XI Capitel.Von Dem Liecht und Mahlzimmer/auch Nacht-Stucken, p. 81TAPFERKEIT
Unsere Teutsche/ haben mit sonderbarer Arbeitsamkeit/ ihre Werke volbracht: wie zu sehen in den Stucken Albrecht Dürers Holbeins/Lucas von Eych/ und anderer/ in welchen/ auch die geringste Haare ganz klar und rein ausgebildt erscheinen; das dann in der Nähe wol zu sehen ist. {das ist rühmlich/ wann Geist dabey ist/ und die Ferne nichts benimmet.} Diese Sauberkeit ist löblich/ und macht sich dem Gesicht je länger je mehr gefällig: zumahl wann gute Manier/ Geist und Dapferkeit dabey/ und wann alles auch in der weite recht zu erkennen ist. Dann wann solche Stucke auf die Ferne nichts verlieren/ mögen sie wol vor sonders ruhmwürdig gehalten werden.
Das VII Capitel.Vom Wohl-Mahlen, p. 72